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Allgemein

Blue Ice Choucas – Erfahrungsbericht

By 2. Juli 2015September 8th, 2020No Comments

Bericht von Mario Kempf von www.alpin-blog.com.

Ein geschätz­tes hal­bes Jahr ist es her, dass ich von einem Bekann­ten, der den Österreich-Vertrieb des (zu unrecht eher unbe­kann­ten) fran­zö­si­schen Hau­ses “Blue Ice” macht, das Ange­bot bekam, Pro­dukte zu tes­ten. Der Her­stel­ler bie­tet ein klei­nes, auf Alpi­nis­mus spe­zia­li­sier­tes, Port­fo­lio, aus dem ich den leich­ten Hochtouren-Gurt “Cou­cas” erhielt. Der Gurt wird in eini­gen Grö­ßen S-M-L-XL ange­bo­ten — daher sollte für jede/n die opti­male Größe dabei sein. Anders als ein klas­si­scher Klet­ter­gurt ver­zich­tet der Choucas auf jeg­li­che Pols­te­rung und ist dem­ent­spre­chend nicht für län­ge­res (hän­gen­des) Sit­zen aus­ge­legt. Dafür wird Platz und Gewicht eingespart.

Hard­facts

  • Bein­schlau­fen: ver­stell­bar (somit auch für dicke Hosen gut geeignet)
  • Ein-/Ausstieg: mit weni­gen Hand­grif­fen Öff­nung des Gurt­sys­tems und dadurch kom­for­ta­bler Ein-/Ausstieg mit Ski­tou­ren­schu­hen mög­lich (unbe­las­tete Bein­schlauf­en­teile vorne via Plas­tik­schnalle verbunden)
  • Ver­schluss: Eine Schnalle, wird rück­ge­fe­delt, auch mit Hand­schu­hen gut zu bedienen. Auch wenn das Band nicht zurückgeführt wird ist die Funktion der Schnalle gewährleistet.
  • Mate­ri­al­schlau­fen: 1 an jeder Seite, also in Summe 2
  • Anseil­punkt: 1 Schlaufe, die sich farb­lich her­vor­hebt (rot)
  • Farbe: außen Sil­ber, innen weiß
  • Gewicht (nach­ge­wo­gen in Größe Large): 180g ohne Hülle
  • Mate­rial: Dynema
  • Hülle: im Lieferumfang
  • Preis: rund EUR 65,–
  • Pack­maß: gering

Beson­der­hei­ten

  • 2 schwarze Mini-Schlaufen auf den Bein­schlau­fen. Sinn: Pro Seite kann 1 Eis­schraube in die Mate­ri­al­schlaufe gehängt wer­den und durch die Minisch­laufe so posi­tio­niert wer­den, dass die schar­fen Enden nicht in die lieb­ge­won­nene (und teure) Gore-Tex Hardshell-Hose schnei­den.
  • 2 wei­tere schwarze Mini-Schlaufen bei den Mate­ri­al­schlau­fen: Hier kön­nen Plas­tik­hal­ter für Mate­rial ein­ge­fä­delt wer­den und hal­ten sta­bil (zB Petzl Cari­tool Mate­ri­al­ka­ra­bi­ner)
  • die Größe ist auf einem klei­nen “Tag” im inne­ren des Gurts ver­merkt. Die unter­schied­li­chen Grö­ßen haben farb­lich unter­schied­li­che Tags. Ziem­lich smart — v.a. für Kurs­be­trieb oder ähn­li­ches.
  • im Inne­ren einer Bein­schlaufe ist ein klei­ner “Schum­mel­zet­tel” wie rich­tig ein­ge­bun­den bzw. die Anseil­schlaufe genutzt wird. Cle­ver, aller­dings bleibt der Schumm­ler lang­sam aber sicher aus (ohne das der Gurt gewa­schen wurde)

 

Mitt­ler­weile hatte ich wirk­lich aus­rei­chend Zeit, die­ses Pro­dukt auf Herz und Nie­ren zu tes­ten und komme zu einem über­ra­schen­den Fazit:
Der Choucas ist ein Hammer-Gurt! Der direk­teste Kon­kur­rent ist aus mei­ner Sicht der Black Dia­mond Cou­loir (habe ich eben­falls). Mein Pro­blem mit dem Cou­loir ist, dass der Anseil­punkt sehr weit unten ist. Die Bein­schlau­fen bil­den mit dem Hüft­gurt prak­tisch ein “X” mit der Anseil­schlaufe etwa dort, wo’s weh tut. Ins­be­son­dere mit schwe­rem Ruck­sack bleibt das ungute Gefühl, mög­li­cher­weise aus dem Gurt zu kip­pen. Außer­dem ist die­ser Sitz schlicht­weg unbe­quem. Der Choucas ist von der Geo­me­trie her (für große Men­schen wie mich) deut­lich bes­ser. Außer­dem ste­chen die zusätz­li­chen Fea­tures des Choucas (auch wenn diese nicht zwin­gen­der­ma­ßen genutzt wer­den müs­sen) den Cou­loir aus. Ein­zi­ges, wenn auch klei­nes Manko ist die weiße Innen­farbe, die bei Nut­zung im Fels (z.B. beim Anle­gen unter­halb eines Klet­ter­steigs) bald den Farb­ton ändert. Aller­dings gefällt mir gut, dass Innen und Außen unter­schied­li­che Far­ben ver­wen­det wer­den: Dadurch sieht man auf einen Blick, ob der Gurt rich­tig ange­legt oder ver­dreht ist!

Ich konnte den Gurt bei geschätz­ten 40 Tou­ren ein­set­zen: auf Hoch­tour (Berg­schuhe mit Steig­ei­sen), am Klet­ter­steig sowie im Win­ter mit Ski­schuhe (und ggf. Steig­ei­sen). So lange keine Steig­ei­sen am Schuh mon­tiert sind, klappt der Ein-/Ausstieg durch sim­ple Öff­nung der bei­den Plas­tik­schnal­len auch mit gro­ßen Stie­feln pro­blem­los (mit schma­len Berg­schuhe auch ohne Öff­nung). Mit Steig­ei­sen muss in der Gurt vorne aus der pri­mä­ren Schnalle aus-/eingefädelt wer­den. In der Pra­xis lässt sich das mit etwas Vor­aus­schau pro­blem­los ver­mei­den! Abge­se­hen davon sollte auf (Ski-)Hochtour der Gurt (theo­re­tisch) sowieso bei der Hütte ange­legt wer­den (auch wenn viele — inkl. mir — shame.on.me — das nicht tun).

Durch das Band­ma­te­rial und die feh­lende Pols­te­rung ist der Gurt unter dem Hüft­gurt des Ruck­sacks nicht zu spü­ren. Ein Vor­teil gegen­über dicken gepols­ter­ten Kon­kur­ren­ten (v.a. die älte­ren Gene­ra­tio­nen), den man bei einem 15–20 kg Ruck­sack, der 10 Std. getra­gen wird, nicht mis­sen möchte. Nach­teil ist natür­lich, dass ein Sturz sowie lan­ges Hän­gen unan­ge­nehm ist. Meine Mei­nung dazu: Pro­dukte die­ser Art sind im Gegen­satz zu kom­for­ta­blen Klet­ter­gur­ten dazu gemacht, einen unvor­her­seh­ba­ren Sturz, der alle hei­li­gen Zei­ten vor­kommt zu hal­ten. Klar ist, dass ich mit dem Choucas nicht mit kur­zer, dün­ner Short im Som­mer in den Klet­ter­gar­ten zum Aus­boul­dern gehe. Bin ich jedoch hoch­al­pin unter­wegs (mit zumin­dest lan­ger Hose) sieht die Sache schon anders aus. Freie, harte Stürze kommt in die­sem Gelände kaum vor (oder soll­ten es zumin­dest nicht tun). Das Höchste der Gefühle ist kon­trol­lier­tes Absei­len — und hier­für ist das breite Band­ma­te­rial mehr wie aus­rei­chend. Zu Übungs­zwe­cken nutze ich den Gurt auch bei einer Wei­ter­bil­dung wo wir u.a. Frem­dret­tung (Seil­rolle) und Selbstret­tung (Pru­si­ken) ver­such­ten. Ins­be­son­dere bei Ers­te­rem kann es gut vor­kom­men, dass man etwas län­ger aus­har­ren muss –> abso­lut kein Pro­blem mit die­sem Teil. Auch der Sturz an sich (einige Meter frei über die Kante, danach Dyna­mi­sche Brem­sung bis Still­stand ca. 10m unter­halb des Spal­ten­rands) war kaum zu spüren.

Zu den Beson­der­hei­ten: Mit Selbst­si­che­rungs­schlinge (inkl. Kara­bi­ner) sowie zwei­tem Kara­bi­ner in der Anseil­schlaufe passt die mit­ge­lie­ferte Hülle natür­lich nicht mehr (außer­dem mag ich sol­che Hül­len auf­grund des umständ­li­chen Ein­pa­ckens — v.a. mit dicken Hand­schu­hen — nicht. Das Pack­maß ist aller­dings auch ohne Hülle abso­lut über­schau­bar. Die Mini-Schlaufen habe ich nur zu Test­zwe­cken genutzt, da mein gesam­tes Mate­rial nor­ma­ler­weise auf den Schlau­fen am Hüft­gurt des Ruck­sacks hän­gen. Die Eis­schrau­ben trage ich gesi­chert in Petzl Ice­flu­tes mit. Wird der Ruck­sack jedoch zB unter­halb des Gip­fel­an­stiegs depo­niert sind die bei­den Mate­ri­al­schlau­fen defi­ni­tiv hilf­reich. Schum­mel­zet­tel und farb­li­che Größen-Tags sind für Füh­rungs– oder Kurs­be­trieb sicher­lich hilf­reich — für die per­sön­li­che Nut­zung aller­dings von unter­ge­ord­ne­ter Rolle. Wer regel­mä­ßig in die Berge geht sollte schon wis­sen, wie er/sie sich ein­bin­det und wenn er/sie es nicht tut, dann zumin­dest einen zuverlässige/n Partner/in für den Check am ande­ren Sei­lende haben…

Mir ist bewusst, dass das mit gespon­ser­ten (ja, ich erhielt den Gurt kos­ten­los) Tests immer so eine Sache ist. In die­sem Fall freue ich mich außer­or­dent­lich, ein voll­stän­dig durch­dach­tes Pro­dukt emp­feh­len zu kön­nen, das bis auf die etwas schmutz­an­fäl­lige Innen­farbe (die nur eine Rolle spielt, wenn jemand am Berg eine blü­ten­weiße Hose trägt) aus mei­ner Sicht KEIN VERBESSERUNGSPOTENZIAL bie­tet. Ein rundum per­fekt gelun­ge­ner Gurt, der sei­nes­glei­chen sucht.

Zusatz­in­for­ma­tion

schlaufeWäh­rend des inten­si­ven Ein­sat­zes und Kon­takt mit dem Ver­trieb von Blue Ice hat sich ein zusätz­li­cher Aspekt erge­ben, auf den ich hin­wei­sen möchte:

Im Aus­lie­fe­rungs­zu­stand wird das Gurt­band, in dem sich auch die Ein­bin­de­schlaufe befin­det nor­mal durch die Schnalle geführt. Siehe oben. In der Pra­xis zeigt sich, dass sich evtl. in ungüns­ti­gen Belas­tungs­zu­stän­den (zB bei Spal­ten­sturz und seit­lich gedreh­tem Ober­kör­per) unter Umstän­den die Schnalle lockern und dadurch das Gurt­band bis zum ver­näh­ten End­stück durch­rut­schen kann. Um die­sem unwahr­schein­li­chen Fall vor­zu­beu­gen hilft ein ein­fa­ches Mit­tel: Das Ende des Gurt­bands (blauer Pfeil) zurück durch die Schnalle (Öff­nung im Bereich des roten Pfeils) fädeln. Somit zeigt das Ende des Gurt­bands dann nicht mehr Rich­tung rotem Ein­bin­de­ring son­der in die ent­ge­gen­ge­setzte Rich­tung. Pro­blem solved 🙂

 

Weitere Informationen unter

Alpin-blog.com